Fetischismus

Begriff

Fetischismus ist die Verlagerung des sexuellen Ziels von einem lebenden Menschen des anderen Geschlechts auf etwas anderes, das als Ersatz für diesen Menschen dient, z.B. auf einen Körperteil, ein Kleidungsstück, ein anderes Objekt oder auf eine Eigenschaft. Im Wort Fetischismus steckt "Fetisch" [lat. factitius = von magischer Kraft]. Die ursprüngliche Bedeutung war also ein magischer Gegenstand, der eine Naturgewalt darstellte und ersetzte wie z.B. die Fruchtbarkeit, Potenz, Zeugungskraft. Von der Religionsforschung wurde das Wort Fetischismus auf das Gebiet der Sexualforschung übertragen, um eine Erklärung dafür zu finden, warum manche Menschen gewisse Eigenschaften (z.B. Jungfräulichkeit) oder bestimmte Gegenstände (z.B. weibliche Slips, Schuhe, vgl. Schuhfetischismus) im gleichen Sinne "vergöttern" wie der Anbeter von Fetischen den Stock, Stein, die Holzfigur usw.

Entwicklung des Fetischismus

Fast jeder Gegenstand kann zum Objekt des Fetischismus werden, z.B. ein Pelzmantel, der Pelz einer bestimmten Art oder ein Pelz überhaupt. Das Haar eines geliebten Menschen, jedes Haar von einer bestimmten Farbe oder Haar ganz allgemein. Der Gürtel der geliebten Person oder jeder Gürtel, schließlich Leder (Lederfetischismus) an sich usw. Allgemein haben solche Dinge ihre Ursache darin, dass wir zu einer Zeit, als unsere Sinne erwachten, in frühester Kindheit also, nicht fähig waren, von einem Menschen einen Gesamteindruck zu empfangen. So blieb die Mutter für uns eine Folge voneinander getrennter Eindrücke: eine Brust (die Nahrung gibt), eine Brustwarze (die sich mit den Lippen fassen lässt), eine Stimme (die tröstet), Hände (die liebkosen), ein Mund (der uns küsst), Haar (das uns kitzelt), usw. Auf genau diese Art setzt sich der Erwachsene das Traumbild des idealen Partners zusammen. Das ist die Urform des Fetischismus. Der Liebhaber bittet die Geliebte um eine Haarlocke, einen Brief, ein Bild, eine parfümierte (Geruchsfetischismus) Postkarte. Er bewahrt das Taschentuch auf, das sie vergessen hat. Er bittet, den Handschuh behalten zu dürfen, den sie fallen ließ. Von hier aus ist der Weg nicht weit zu dem sexuell stark reagierenden Mann, der um eine Locke vom Schamhaar, einen BH oder Slip bittet, und von da zum Fetischisten, der Unterwäsche aus einem Geschäft stiehlt. Innerhalb gewisser Grenzen huldigt also jeder Mensch einer Art von Fetischismus.

Die Frage stellt sich, wieso Fetischismus gerade in unserer Zivilisation so außerordentlich verbreitet ist, dass man ihn als eigentliche Perversion des bürgerlichen Zeitalters bezeichnen kann. Vielleicht liegt es daran, dass die wirtschaftliche und politische Ordnung, unter der wir leben, selbst fetischistisch ist, denn sie misst toten Dingen (Kapital, Zinsen usw.) einen Wert bei, der durchaus dem entspricht, den der Fetischpriester seinen kultischen Gegenständen gibt. Vor allem die Tendenz zur Versachlichung psychologischer Werte, zur Verdinglichung von Emotionen, zur Verwandlung von geistigen Werten in Objekte entspricht durchaus der fetischistischen Wandlung von Gefühlen in Objekte.

Abarten des Fetischismus

Nahezu jeder Menschentyp (Gerontophilie, Pädophilie, Inzest), jedes physische Kennzeichen und jede psychische Eigenschaft eines Menschen kann als Fetisch in den frühen Stadien des Fetischismus dienen. Jeder Körperteil, jede körperliche Sekretion (Blut, Kot, Urin, Samen, Schweiß, Vaginalsekret usw.) dient im mittleren Stadium des Fetischismus als Fetisch. Jedes Kleidungsstück, jeder Gegenstand kann im dritten Stadium des Fetischismus als Sammelobjekt dienen. Es gibt einen Tierfetischismus und einen Fetischismus, der sich an Pflanzen oder Bäume heftet. Kälte, Hitze, Wasser, Feuer, Eis, Schmutz können zum Fetisch werden. Gewisse Bewegungen, aber völlige Bewegungslosigkeit, Einverleibung oder Ausstoßung, Fesselung oder Einmauerung, Worte oder Musik, Statuen oder Bilder, Bücher und Uhren können als Fetische dienen.

Deformationsfetischismus

Deformationen des menschlichen Körpers sind für viele Fetischisten von besonderem Interesse, z.B. Pickel, Warzen, Hautausschläge, Muttermale, Buckel usw. Fetischisten dieser Art suchen sich als Sexualpartner oft Menschen, die hinken, schielen oder stottern, Einarmige oder Einbeinige, Prothesenträger und Amputierte (Amputationsfetischismus). Aber auch besonders hässliche Menschen oder schwangere Frauen dienen einer erstaunlich großen Gruppe von Fetischisten als Fetisch. Die systematische Verunstaltung des menschlichen Körpers zu den verschiedensten Zeiten der Geschichte und in den verschiedensten Kulturen erklärt sich zweifellos aus fetischistischen Gründen - z.B. das Tragen von Holz- und Metallpflöcken in Lippen, Nasen, den Ohren, das Kupieren der Füße in China und Japan, das Korsetttragen im Westen.

Geruchs-, Geschmacks-, Berührungsfetischismus

Von allen fünf Sinnen übt der Geruchssinn sicherlich den stärksten Einfluss auf den Fetischisten aus. Die Erklärung verschiedener Fetischismen mag sich aus dem Geruch des fetischisierten Objekts oder Körperteils ergeben: Achselhöhle, Haar, Füße, Genitalien, Anus, Unterwäsche usw. (Geruchsfetischismus).
Der Geschmack gewisser Substanzen macht sie zum Fetisch, meist der Modergeschmack, der an Körpersekretionen erinnert: Käse, Nieren, Wild, aber auch der körperlichen Sekretionen selbst. Man denke an die Neigung, nur solche Nahrungsmittel zu essen, die bereits von der geliebten Person vorgekaut und ausgespieen oder in ihren After oder ihre Genitalien eingeführt wurden. Hinzu tritt das Essen von Menschenfleisch.

Dass das Abtasten des geliebten Gegenstands oder Körperteils als Surrogat des Koitus dienen kann, ist auch außerhalb des Fetischismus bekannt. Manche Männer und Frauen kommen bei der Berührung des Körpers des anderen Menschen zum spontanen Orgasmus, ohne dass ihre eigenen Genitalien berührt zu werden brauchen. Beim Fetischisten tritt das Gleiche bereits beim Abtasten von geliebten Objekten ein - von Handschuhen, Schuhen, Unterwäsche - oder beim An- und Ausziehen dieser Objekte. Dazu kommen eine Anzahl pathologischer Berührungsfetischismen (z.B. Berührungszwang).

Fetischistische Einverleibung und Pfählung

Sehr eigentümlich ist der ganze Komplex der Einverleibung und Pfählung, also der Einfügung von Substanzen in den menschlichen Körper, dem eine besondere fetischistische Bedeutung zukommt. Man spricht hier, im Gegensatz zur Verschiebung des sexuellen Ziels, von einer Verschiebung des sexuellen Verkehrs. Während dem Schuhfetischisten der Schuh die Frau ersetzt, dient dem Einverleibungsfetischisten die Einverleibung als Symbol und Ersatz des Geschlechtsverkehrs. Einverleibung kann stattfinden durch den Mund, den After, die Genitalien oder die Haut. Als oral einverleibte Fetische sind die folgenden in der Fachliteratur bekannt geworden:
Menschenfleisch (Anthropophagie), Sperma (Fellatio), Kot (Koprophagie), Urin (Uropotie), Menstruationsblut oder Blut im Allgemeinen (Lykanthropie, Vampirismus), Schweiß, Smegma, Ohrenschmalz, Augenschleim, Nasenschleim, Speichel, Vaginalsekretionen, Nahrungsmittel, die zuvor in After oder Genitalien eingeführt wurden (Picazismus). Dazu Fremdkörper jeder Art, insbesondere stechende und schmerzende Dinge (Nadeln, Nägel, Schrauben, Steine, Scherben usw.). Die Pfählung oder Einverleibung kann auch durch den Anus erfolgen (Analverkehr, Klistier usw.) und jeder dieser analen Vorgänge kann als fetischistisches Surrogat des Geschlechtsverkehrs dienen.

Auch die Einführung von Fremdkörpern in die Genitalien stellt eine Form des Fetischismus dar, bei der diese genitale Einverleibung als Symbol und Surrogat des Geschlechtsverkehrs dient (Dildo, Vaginalkugeln, Selbstkatheterisierung usw.).

Kleidungsfetischismus

Die bekannteste Form des Fetischismus ist diejenige, die sich auf Kleidungsstücke richtet. Hierbei kann entweder das Kleidungsstück den Sexualpartner ersetzen, oder der Vorgang des An- und Auskleidens ersetzt den Koitus. Kleidungsstücke des eigenen oder des anderen Geschlechts können als Fetisch dienen, je nachdem, wie weit die homosexuelle Komponente nur latent oder bereits manifest vorhanden ist (Transvestitismus, Verkleidungstrieb). Die Faszination des Fetischs hängt fast stets mit der Faszination des Körperteils zusammen, den er bekleidet oder dem er dient, z.B. den Genitalien (Genitalmaske, Keuschheitsgürtel, Penisfutteral, Suspensorium), den Brüsten (BH, Wäsche), dem Torso (Korsett), der Taille (Strumpfbandgürtel), dem Hals (Kragen, Halstuch, Krawatte), den Armen und Händen (Handschuhe), den Beinen (Hosen, Strümpfe), den Füßen (Schuhe, Stiefel), dem Gesicht (Maske), dem Kopf (Hut).

Tierfetischismus

Tiere nehmen im Fetischkult einen hohen Platz ein. Man unterscheidet zwischen folgenden Formen des Tierfetischismus:
1. Geschlechtsverkehr mit dem Fetischtier (Schoßhund, Unzucht mit Tieren).
2. Behandlung des Tiers als Antifetisch (Tierschändung).
3. Behandlung des Tiers als Fetisch (Zoophilie).
4. Anblick des tierischen Geschlechtsverkehrs als Fetisch.
5. Der fetischistische Wunsch, sich in ein Fetischtier zu verwandeln (Lykanthropie, Vampirismus, Werwolf).
6. Fetischisierung von Zaumzeug (Hundeleine, Maulkorb, Reitgerte, Sattel, Sporen, Zaumzeug)

Fetischismus in Form der Dämonomanie

Die dem Animismus gleichende Form des Fetischismus besteht in einer Sexualisierung des Dämonischen, der Fetischisierung von Geistern, der Dämonomanie. Hier dient ein Geist, eine Göttin, eine Dämonin als Surrogat eines lebenden Wesens, und der imaginäre Geschlechtsverkehr mit dem Dämon oder der Dämonin wird zum fetischistischen Ritual - eine Denkform und Handlungsweise, die uns zum Animismus Afrikas des 18. Jahrhunderts zurückführt. Mit dem Tierfetischismus schließt sich der Kreis zurück zum animistischen Fetischismus, der Objekte, Tiere, Pflanzen und Tätigkeiten sexuell dämonisierte.
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Schuhfetischismus

Schuhfetischismus ist eine sexuelle Perversion, bei der Schuhe den Schlüsselreiz zur Auslösung des Orgasmus darstellen. In den harmloseren Stadien der Krankheit verlangt der Patient, dass sein Sexualpartner beim Geschlechtsverkehr Schuhe tragen oder zumindest ein Schuh im Bett liegen oder an der Wand hängen müsse, sodass er ihn beim Koitus vor Augen habe. In ernsteren Fällen ersetzt der Schuh den Sexualpartner. Der Schuhfetischist onaniert in den Schuh, die Schuhfetischistin benutzt den Hacken oder die Spitze des Schuhs zur Onanie. Im dritten Stadium funktioniert auch die Onanie nicht mehr. Der Patient hat kein Bedürfnis nach sexueller Betätigung. Der Anblick, der Geruch, die Berührung, das Ablecken oder Küssen des Schuhs genügen. Orgasmus tritt nur noch selten oder überhaupt nicht mehr ein. Gerade deshalb wird das Sammeln, oft das Stehlen von Schuhen, zur Zwangsneurose.
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